Ein Beispiel aus dem realen Leben
Ein Unternehmen, eine tiefgreifende und multidimensionale organisatorische Veränderung, zwei Geschäftsführer, eine brachliegende Organisation – das ist der Ist-Zustand. Was war passiert? Wie konnte es so weit kommen?
Im Sommer war das Unternehmen bereits 25 Jahre lang erfolgreich am Markt. Die Unternehmenskultur war geprägt von der Führung durch einen dominanten, konservativen und starken Geschäftsführer. Er, der das Unternehmen im Wesentlichen über die vergangenen Jahre erfolgreich auf- und ausgebaut hatte, würde nun das Unternehmen verlassen. Es entstand eine für die Organisation komplett unbekannte Situation. Aber grundsätzlich war man Veränderungen gegenüber offen, und so war jeder neugierig auf den Neuen.
Der neue Geschäftsführer wirkte jünger, offener und entspannter als sein Vorgänger. Geprägt war er durch das unternehmerische Umfeld eines multinationalen Großkonzerns, in dem Mergers & Acquisitions und Joint Ventures an der Tagesordnung standen. Die Frage, wie sich das wohl in einem kleinen, eher konservativ geprägten Unternehmen auswirken würde, würde sich im Verlauf der nächsten 3 Jahre von selbst beantworten. Es folgten mehrere Phasen, die den internen Veränderungsprozess beschreiben. Natürlich nicht stufenweise aufeinander, vielmehr fanden viele ineinander fließende Prozesse parallel statt. Sozusagen ein permanenter Veränderungsflow.
Die Analyse
Der neue Geschäftsführer machte von Beginn an keinen Hehl daraus, dass er das Unternehmen verändern wollte. Er gab sich zunächst eine Weile Zeit, die Organisation gründlich kennenzulernen. Die Analyse umfasste mehrere Dimensionen, wozu im Wesentlichen Außenbild, Markt, Konkurrenzanalyse, Aufbau der Organisation, Führungsrollen und Arbeitsteilung gehörten. Gleichwohl wurde trotz eines ersten gegenseitigen vorsichtigen Abtastens und Beobachtens ein erster kultureller Wandel bemerkbar. Es gab weniger Druck im direkten Umgang mit dem Geschäftsführer. Es entstand insgesamt ein entspanntes Arbeitsklima.
Bemerkenswert schnell änderte sich der strenge, konservative Kleidungsstil. Die zunächst vermutete große Gefahr, nur noch T-Shirt- und Jeansträger im Hause zu haben, regulierte sich erstaunlicherweise quasi von selbst. Verantwortungsvolle Mitarbeiter können bestens eigenständig entscheiden, wann Business Outfit erforderlich ist und wann ein casual Outfit angebracht ist. Man braucht einfach nur etwas Vertrauen in seine Leute 😉
Der Kreativprozess
Nach einiger Zeit eröffnete der neue Geschäftsführer einen offenen Kreativprozess, um die Veränderungen in Gang zu setzen. Er gründete ein strategisches Arbeitsteam, das aus verschiedenen Divisionsleitern bestand. Das Team analysierte zunächst in kreativer Atmosphäre außerhalb der Firma den Ist-Zustand der Organisation aus unterschiedlichen Perspektiven, identifizierte Handlungsfelder, die dann von diversen Arbeitsgruppen weiter bearbeitet wurden. Diese Arbeitsgemeinschaften wiederum waren paritätisch mit verschiedenen Mitarbeitern des Unternehmens besetzt.
Dennoch löste dieser Prozess innerhalb der Organisation eine gewisse Unruhe aus. Es wurde nicht sauber und transparent kommuniziert, was die Ziele des Kreativprozesses waren und wer freiwillig teilnehmen durfte.
Leider schien es nach über einem Jahr, als wären die investierte Zeit, die Energie und das Wissen, und auch die möglichen Ergebnisse im Nirwana verschwunden. Sicherlich waren viele Ergebnisse der Arbeitsgruppen indirekt in die Organisation eingeflossen, aber die anfängliche Begeisterung, aktiv etwas mitzugestalten, war in den vergangenen Monaten aufgrund von internen und externen Widerständen, Ermüdung und Ernüchterung verflossen.
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Stillstand durch Veränderung von Daniel M. Richter ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Keine Bearbeitungen 4.0 International Lizenz.
Design: Sonja Leppin
Illustrationen: Susanne Kasper